Pelze haben ihre eigene Faszination und ihr eigenes Schicksal, sagt man. Manchmal sind sie sogar ein Geschenk fürs Leben. Zumindest für Julia und mich trifft das wirklich zu. Zehn Jahre nach unserer gemeinsamen Schulzeit trafen wir uns erneut. Ich erinnere mich daran, als ob es heute wäre.

"Du hast dich ja gar nicht verändert, in dieser langen Zeit", sagte ich bewundern. Julia lächelte, als sie meine ehrlich gemeinten Worte hörte. Sie sah einfach blendend aus. Wir hatten uns zu einem Wiedersehen verabredet, zehn Jahre nach unserem Abitur. Jetzt stand sie auf dem Bahnsteig vor mir. Eine Brise fuhr durch ihr langes blondes Haar, an diesem kühlen Herbsttag, und machte ihre Erscheinung noch attraktiver.

"Du bist immer noch schön wie die Sonne. Und du trägst sogar einen Pelz", bemerkte ich. Die Haare ihrer Felljacke wogen sich im Wind und umschmeichelten ihr Gesicht. Auf der Schule war Julia die Schönste gewesen und das sah man ihr immer noch an. Nach dem Abitur hätte sie ohne Probleme Fotomodell werden können. Aber sie studierte Jura und wurde erfolgreiche Anwältin. Ab und zu hatten wir miteinander telefoniert, in diesen zehn Jahren.

"In Wahrheit ist es ja eigentlich auch dein Pelz", entgegnete sie schelmisch. "Du erkennst ihn doch?" Ich schaute sie überrascht an. Im ersten Moment wusste ich nicht, was sie meinte, aber dann ahnte ich es. "Meinst du etwa den Mantel, den ich dir damals zu deinem Geburtstag schenkte?" Julia nickte. Sie war meine große Jugendliebe gewesen und mit dem Geschenk wollte ich ihr meine Gefühle beweisen. Gesagt hatte ich ihr das aber nie. Kein einziges Wort. Dazu war ich zu schüchtern. Und die Geschichte mit dem geschenkten Fell Mantel hätte ich am liebsten ganz vergessen.

"Ich habe den Mantel vor kurzem umarbeiten lassen. Jetzt ist er eine Jacke. Schau dir mal den schicken neuen Schnitt an". Gekonnt drehte sich Julia vor meinen Augen einmal im Kreis. "Da werden alle Männer verrückt, wenn sie mich so sehen".

"Kein Wunder bei diesem Anblick", dachte ich. Aber ich hätte mein Geburtstagsgeschenk auf den ersten Blick gar nicht mehr wieder erkannt. Es war erstaunlich, wie sehr man Pelze verändern konnte. Julia hatte schon immer einen edlen Kleidungsstil, von Kopf bis Fuß. Daher passte die Jacke sehr gut zu ihr. Sie wirkte so jung darin. Mit dem Mantel war dagegen wohl irgendetwas falsch. Sie hatte ihn nie getragen. Dabei war er eigentlich als meine Liebeserklärung gedacht.

"Ich hätte mir auch eine Fellweste aus deinem Geschenk machen lassen können oder einen Fellkragen. Alles im Internet bei Dein-Pelz.de. Man kann sich sogar eine Fellkapuze anbringen lassen". Wir waren auf dem Weg zu meinem Auto, als sie das sagte. Julia hatte sich eine Fellmütze aufgesetzt, weil es so kalt war. Sie stammte bestimmt auch aus dem Internet, dachte ich mir. "Und ich hatte dir den Mantel damals noch in einem Pelzgeschäft gekauft", erklärte ich. Das Geschäft in der Innenstadt war eine berühmte Adresse gewesen, aber Julia konnte ich nicht damit beeindrucken. "Das war wirklich lieb von dir, aber modisch war er schon damals nicht. Heutzutage findet man die aktuellste Mode im Internet und Dein-Pelz.de hat ausgezeichnete Kundenbewertungen".

"Führst du deine Gerichtsprozesse etwa auch im Internet? Mit Kundenbewertungen?", wollte ich ironisch fragen, als wir zu meiner Wohnung fuhren. Aber ich verkniff mir diese dumme Bemerkung. Wahrscheinlich hatte Julia Recht. Mittlerweile kam wohl niemand mehr am Internet vorbei. Das Pelzgeschäft, von dem ihr Mantel stammte, gab es seit einigen Jahren nicht mehr. Ob man dort wirklich hinter der Mode zurückgeblieben war? Mein Kopf war voller Gedanken, als ich die Tür zu meiner Wohnung für uns aufschloss. Es steckte vielleicht gar keine Ablehnung dahinter, dass sie mein Geschenk nie getragen hatte? Zehn lange Jahre hatte ich schweigend darunter gelitten. Nun erschien mir alles in einem anderen Licht. Das machte mich nachdenklich.

"Schön kuschelig hast du es hier", lobte mich Julia, als sie meine Wohnung betrat. "Und es liegt sogar eine Fell Decke auf deinem Sofa. So etwas mag ich sehr". Sie legte ihre Jacke ab, nahm sofort auf der Couch Platz und schlang dann die wärmende Decke um ihren Körper. "Von dem einen Fell ins andere. So ist es gut". Ihr Lachen war so bezaubernd geblieben wie früher. Wir hatten uns vorgenommen, gemeinsam über alte Zeiten zu plaudern. "Mein Handy schalte ich besser aus", sagte sie. Mir fielen die Fellbommel auf, mit denen sie es umschlungen hatte. Ein kleines Detail, das zeigte, wie perfekt sie alles aufeinander abstimmte. Schon bald riefen wir uns bei einem Glas Rotwein unsere Schulzeit ins Gedächtnis und schmunzelten über unsere Lehrer und Mitschüler.

"Ich weiß es noch wie heute, Julia. Damals warst du der Schwarm aller Jungs". Ich schaute ihr verträumt in die Augen, aber sie seufzte nur. "Meinst du etwa, das wäre angenehm gewesen? Ganz im Gegenteil. Alle schauten nur auf mich. Sie bewunderten meine Figur, meine Haare, meine Augen. Aber das war alles nur oberflächlich. Und alle sagten, dass sie mich lieben würden. Fast alle, nur einer nicht". Dabei schaute sie mich bedeutungsvoll an. "Aber so ist es im Leben nun einmal. Man kann nicht alles bekommen". 

Bei den letzten Worten hatte ihre Stimme einen traurigen Klang, einen kurzen Moment lang, bis sie sich einen Ruck gab und wieder in lustigen Erinnerungen schwelgte. "Weißt du noch, wie Lars das ganze Büffet umwarf, bei meinem Geburtstag kurz vor dem Abitur? Er hatte sich mit Oliver gestritten, wer als erster mit mir tanzen darf. Schließlich lagen beide am Boden, unter dem Kartoffelsalat. Ich hatte mich fast tot gelacht. Aber kurz danach bist du gegangen, als einer der ersten. Weil du noch eine Verabredung hattest. Erinnerst du dich noch?"

Und ob ich mich erinnerte, sogar an jedes Detail. Die angebliche Verabredung hatte ich damals nur vorgespielt, um schnell zu verschwinden. Und auch alles andere, was diesen Geburtstag betraf, lag in einem abgelegten Bereich meines Gehirns gespeichert, vor dem ein großes Schild stand: "Bitte nicht berühren".

Julia konnte es nicht wissen, aber ich hatte mir an diesem Tag, an ihrem Ehrentag, vieles vorgenommen. Zuvor hatte ich wochenlang jeden Abend heimlich als Kellner gejobbt, um genügend Geld für ein Geschenk zu verdienen, das so prächtig sein sollte wie ihre Erscheinung, so edel wie ihr Wesen und so erhaben wie meine Gefühle für sie. Ja, das waren schwärmerische Worte, aber sie waren ernst gemeint. Und was passte besser zu einer schönen Frau als ein schöner Pelzmantel, so hatte ich es mir gedacht. Stolz war ich damit vor ihr erschienen, wie sie im Kreis ihrer Freundinnen ihre Geschenke annahm, auch meines. Doch alles ging schief. "Schau mal, der Robert! Was hat der Idiot denn hier zu suchen?", nörgelten die anderen Jungs, als sie mich sahen. "Und wo hat er denn bloß den Mantel her?" Ob ich eine Bank überfallen hätte, zischte es im Hintergrund.

Das alles war mir egal, denn Julia hatte gelächelt, als sie meinen Mantel sah. Nur das zählte. Doch beim Überreichen meines Geschenks hatte eine Freundin von ihr demonstrativ mit dem Kopf geschüttelt und dabei etwas von überteuert und 'was für ein Angeber' gemurmelt. So laut hatte sie es geflüstert, dass es alle hören konnten. Ein betretenes Schweigen folgte. Ich wollte meine Liebeserklärung verkünden, aber meine Worte blieben mir in dieser Situation im Hals stecken. Julia hatte den Mantel dann einfach nur schweigend zu den anderen Geschenken gelegt, die sich auf zwei Tischen auftürmten und plötzlich einsetzende Musik übertönte den peinlichen Moment. Lars und Oliver begannen ihren Streit und ich verschwand, als das Büffet zusammen krachte.

"Warum hast du den Mantel eigentlich nie angezogen?", brach es bei diesen Erinnerungen aus mir heraus, "wenn du ihn jetzt als Jacke trägst? Etwa wegen deiner Freundin? Wegen der Mode? Warum nur? Das habe ich nie begriffen".

"Nein, Robert, das war es nicht. Ehrlich gesagt, hatte ich ihn nie getragen, weil ich hoffte, dass du sie irgendwann einmal sagen würdest, dieses drei Worte: 'Ich liebe dich', statt dich einfach schweigend zurückzuziehen. Von dir hätte ich gewusst, dass du sie ernst meinst. Aber vielleicht ist es ja noch nicht zu spät, sogar nach zehn Jahren".

Das war es also! Während alle anderen mit ihren Liebesschwüren so freigiebig um sich warfen, dass niemand an sie glaubte, war es meine Feigheit gewesen, überhaupt ein Wort herauszubringen, um ihr meine Liebe zu gestehen. Was war ich für ein Trottel gewesen. Aber ich nahm nun meinen ganzen Mut zusammen. "Ich liebe dich wirklich, Julia, wie am ersten Tag, mit ganzem Herzen. Bitte gib mir noch eine Chance!" Sie schaute mir zweifelnd ins Gesicht. Ich merkte, wie sie mit sich rang. Da kam mir plötzlich eine gute Idee. Ich ging in den Flur und holte ihre Fell Jacke. "Meinem Mantel hast du doch auch eine zweite Chance gegeben. Schau mal, wie schön er geworden ist". Wir lachten und fielen uns in die Arme. Das Eis war gebrochen.